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Architekturepochen: Biedermeier

Nach der Französischen Revolution und der Niederlage Napoleons ordnete der Wiener Kongress 1815 die Lage in Europa neu. Ziel der Obrigkeit war es, sich selbst zu erhalten und möglichst ähnliche Verhältnisse herzustellen wie vor der bürgerlichen Revolution. Viele Menschen lebten arm und hungerten. Sie waren gegen diese veraltete Zukunftsvision. Um dem Volk das Maul zu verschließen, wurde die Meinungsfreiheit unterdrückt. Studentenverbindungen mussten aufgelöst werden, die politische Äußerung unterlag einer Zensur, unangenehme und gefährliche Redner wurden gefangengenommen. So kam es bspw. zur Flucht Heinrich Heines aus Deutschland: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Unter der Bevölkerung entwickelten sich zwei Strömungen: Zu der einen gehörte die Bevölkerungsgruppe, die alles wieder so haben wollte wie vor der Revolution. Diese wurden dem Biedermeier zugeordnet. Auf der anderen Seite standen die Menschen, die sich nicht länger unterdrücken und eine demokratische Ordnung herbeiführen wollten. Diese werden unter dem Namen Vormärz zusammengefasst.

Begriffsherkunft des Biedermeier

Gottlieb Biedermeier war eine fiktive Person, die als Karikatur, erfunden von dem Juristen und Schriftsteller Ludwig Eichrodt und dem Arzt Adolf Kußmaul, in den Fliegenden Blättern ihren Auftritt fand. Diese war eine humoristische Münchner Wochenschrift, die sich großer Beliebtheit erfreute. Verunglimpft oder verlacht wurde Biedermeier, da er sich klein und spießbürgerlich zeigte und abgeschottet von der äußeren Welt, zurückgezogen mit der Familie, vorbildlich und ohne anzuecken in seiner heimischen Umgebung bewegte. Der typische Biedermeier-Mensch hatte vor den nicht zu lösenden und gleichermaßen zermürbenden, politischen Zuständen kapituliert und suchte sein Heil im beschaulichen Heim und in der Schönheit der Natur. Ihm werden Eigenschaften wie biedere Ansichten, geistige Enge, bürgerliche Verklemmtheit und ignorierende Untertänigkeit zugeschrieben.

Merkmale der Biedermeier Zeit

Die Biedermeier-Kultur zeigt sich als behaglich, heimisch und fromm. Die Besinnung und Rückkehr zur Familie, dem eigenen Heim und der Natur zeigen sich in Kleiderwahl, Literatur, Innenarchitektur, Gartengestaltung und Architektur. Alles fügte sich in einer gewissen Eleganz, aber auch schlicht ineinander. Bürgerliche Tugenden wie Fleiß, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Genügsamkeit und Rechtschaffenheit wurden gelebt und hoch gelobt. Vom äußeren Leben, den politischen Problemen und den verbesserungswürdigen Zuständen im eigenen Land kehrte sich der Biedermeier-Deutsche ab. Er flüchtete in die heile Welt des trauten Heims.

Merkmale der Biedermeier-Architektur

Diese Fokussierung auf das Heim führt natürlich dazu, dass sich die Bewohner in ihren Häusern und ihrer Wohnungen wohlfühlen wollten. Es gab recht wenige Verzierungen und Verschnörkelungen. Die Formen waren eher schlicht und gerade, jedoch mit den Merkmalen von Weichheit und einem freundlichen, einladenden Erscheinungsbild gekennzeichnet. Elegant, aber schlicht. Wohlhabend, aber nicht protzend. Einladend, aber nicht zur Schau stellend.

Architekt Joseph Kornhäusel

Der bedeutendste Architekt als Stellvertreter für die Biedermeier-Architektur war Joseph Kornhäusel. Er wurde 1782 in Wien geboren und erreichte das 77. Lebensjahr. Kornhäusel galt als Architekt des Klassizismus, dessen Eigenschaften er mit traditionellen und regionalen Besonderheiten kombinierte. Er errichtete ganz besonders viele Bauwerke in und um Wien. Dazu gehören Wohnhäuser, Theater, Schlösser, christliche Bauten und die Wiener Hauptsynagoge. Das helle, strahlende Wien hat seine interkulturelle Anziehungskraft und Weltoffenheit, gepaart mit Tradition und österreichischem Lebensgefühl sicher auch Joseph Kornhäusel zu verdanken. Auf dem Wiener Zentralfriedhof befindet sich sein Ehrengrab.

Fazit

Ob hübsch, beschaulich und behaglich, im heimischen Idyll oder spießig, konservativ und hausbacken, im beengenden Bürgerhaus entscheidet letztlich der Betrachter. Wie bei allen Epochen und Kunstrichtungen ist abzulesen, dass sich diese aus den gesellschaftlichen und politischen Zuständen der jeweiligen Zeit rekonstruieren lassen. So kann man dem Biedermeier-Menschen seine Flucht von den unruhigen, unberechenbaren und nicht zu händelnden Umständen der Außenwelt hinein in seine geborgene Wohn- und Familienwelt nachsehen. Auch in unserer Zeit entwickelt sich ein unterschiedlicher Umgang mit all den Problemen und Herausforderungen im Außen. Spannend, dies auch in der Architektur beobachten zu können.

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